Über die Verwendung von AlNiCo-Magneten in historischen P-90 und Humbucker Pickups existieren viele Mythen und Geschichten, die hier und da zu Fehlinterpretationen geführt haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein paar Erkenntnisse veröffentlichen, die im Laufe der vergangenen Jahre erarbeitet und gesammelt wurden und die hoffentlich dazu beitragen werden, die Verwendung dieser Magnete in den historischen Humbucker- und P-90 Pickups klarer zu sehen und besser einordnen zu können.
Zunächst ein paar technische Daten:
Die Magnete, um die es geht, sind sogenannte Blockmagnete, so wie sie seit 1946 für das P-90 Modell und später, seit ca. 1956/1957, auch für den Humbucker eingesetzt wurden. Sowohl für den P-90 als auch für den Humbucker benutzte Gibson nämlich den gleichen Blockmagnet. Dieser bestand aus einer Aluminium-Nickel-Kobalt-Eisen-Legierung, dem sogenannten AlNiCo, und hatte die Abmessungen 2 1/2“ x 1/2“ x 1/8“. Das sind in Millimeter umgerechnet 63,5 x 12,7 x 3,175 mm. Ab Mitte 1961 wurden dann Magnete verwendet, die mit 59 mm etwas kürzer waren als die älteren Magnete aus den 50er Jahren.
Der in München lebende Physiker und Gitarrist Roland Kastl hatte mich schon vor einigen Jahren darüber informiert, dass er umfangreiche Untersuchungen an einer größeren Zahl von datierten Gibson Magneten aus den 50er und 60er Jahren durchgeführt hat. Die Datierungen ergaben sich aus den Baujahren der Gitarren, die zufällig ausgewählt waren. D.h. es wurden nicht nur die Magnete eines Instrumenten Typs untersucht, sondern Magnete von unterschiedlichen Gitarrenmodellen.
Die längeren Blockmagnete, die Roland Kastl untersuchte, stammten aus P-90 Pickups und PAFs und umfassten die Jahre 1956 bis 1960. Dieses Zeitfenster konnte ich durch eigene Messungen noch erweitern, so dass die untersuchten Magnete den Zeitraum zwischen 1952 und 1960 abdecken. Betrachtet wurden magnetische Eigenschaften sowie messbare Auswirkungen auf die elektrischen Pickup-Parameter im Vergleich mit Referenzmustern heutiger AlNiCo-Typen der Legierungen AlNiCo II, III, IV und V.
Bei den älteren, langen Magneten war das Ergebnis in zweifacher Hinsicht verblüffend: Zum Einen verhielten sich sämtliche Originalmagnete untereinander gleich, zum Anderen gab es keine Übereinstimmung mit AlNiCo II, III oder V, wohl aber eine deutliche Ähnlichkeit zu den heutigen AlNiCo IV Mustern.
Auch die umfangreichen Klangtests, die ich mit meiner Pickup-Testgitarre durchführte, deuteten in die gleiche Richtung wie Roland Kastls Messungen: Bei den A:B Vergleichen konnten die alten Magnete weder einer AlNiCo II noch einer AlNiCo V Vergleichsgruppe zugeordnet werden. Obwohl mir natürlich klar ist, dass Klangtests – eigentlich das wichtigste Kriterium - immer sehr subjektiv und momentabhängig sind und nicht als objektives Kriterium bestehen können.
Alle Untersuchungsergebnisse passten nicht so recht zu der gängigen Meinung, Gibson habe in dem untersuchten Zeitraum in der Regel AlNiCo V Magnete verbaut, aber auch andere AlNiCo-Legierungen, wie z.B. AlNiCo II und III, wenn AlNiCo V gerade nicht verfügbar war. Diese Aussage hat Gewicht, denn kein geringerer als Seth Lover, der in den 50er Jahren als Ingenieur für Gibson arbeitete und den Humbucker entwickelte, hat in einem Interview über diese angebliche Einkaufspolitik von Gibson berichtet. (Quelle: „The Gibson“, International Music Publications, Oct. 1996, S. 50)
Es lag nahe, eine von Messungen und Klangtests gestützte, aber von der gängigen Meinung abweichende These zu formulieren, dass Gibson in den Jahren zwischen 1952 und 1960 mindestens überwiegend, wenn nicht ausschließlich eine AlNiCo IV Legierung für die P-90 und Humbucker Magnete verwendet hat und diese These durch weiterführende Untersuchungen überprüfen zu lassen.
Es folgten verschiedene Materialanalyse-Laboruntersuchungen (Permagraph, Funkenerosionsspektroskopie, Massenspektroskopie, Röntgenfluoreszenzanalyse), durch die Roland Kastls Einschätzung bestätigt und die genauen chemischen Zusammensetzungen der Magnete bestimmt werden konnten. Und tatsächlich handelte es sich bei allen langen Magneten aus dem untersuchten Zeitraum ausnahmslos um eine heute nicht mehr produzierte Variante von AlNiCo IV.
Auch bei den kürzeren Magneten aus den frühen 60er Jahren wurde anfangs noch diese spezielle AlNiCo IV Legierung festgestellt. Allerdings taucht jetzt auch AlNiCo II auf. In den darauf folgenden 60er Jahren wurde neben AlNiCo II zunehmend auch AlNiCo V nachgewiesen.
AlNiCo III, aus scheinbar historischer Bedeutung in den letzten Jahren in Mode gekommen, konnte weder bei den älteren Magneten der 50er Jahre noch bei den kürzeren Magneten der 60er Jahre nachgewiesen werden. Übrigens: AlNiCo III ist gar keine echte AlNiCo- sondern eine AlNi-Legierung, denn sie kommt ganz ohne Kobalt aus und ist nicht nur schwächer als die AlNiCo-Legierungen IV und V, sondern auch schwächer als AlNiCo II.
In Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung eines namhaften Magnetherstellers mündeten die Ergebnisse der Laboranalysen und die Messungen von Roland Kastl - nach einigen Optimierungszyklen und spezieller Wärmebehandlung bei der Magnetherstellung - in der „alten“ original AlNiCo IV Legierung, genau so, wie sie in den 50er und Anfang der 60er Jahre von Gibson für ihre P-90 und Humbucker Modelle verwendet wurde.
Diese speziellen AlNiCo IV Magnete kommen heute exklusiv in ausgewählten Amber Humbuckern und P-90 Pickups zum Einsatz.
Nachsatz:
Neben den umfangreichen Analysen gibt es noch andere Hinweise darauf, dass Gibson in der Zeit von Mitte bis zum Ende der 50er Jahre und auch in den frühen 60er Jahren überwiegend, wenn nicht ausschließlich AlNiCo IV Magnete verwendet hat. Tom Holmes erzählt in einem Interview mit dem Magazin ToneQuest Report, dass er beim Magnethersteller Thomas & Skinner alte Gibson Einkaufslisten aus den 50er Jahren einsehen konnte, die belegen, dass Gibson damals AlNiCo IV Blockmagnete bestellt hat.
Auch A.R. Duchossoir schreibt bereits 1981 in seinem Buch „Gibson Electrics“ über die Einführung des P-90 Pickups im Jahr 1946: „This new pick-up had two flat rectangular Alnico (II or IV) type magnets…“ Diese Information ist besonders interessant, weil Duchoisser Zugang zu Material-Listen hatte und viele Interviews mit Gibson Mitarbeitern führen konnte – und das zu einer Zeit (Ende der 70er Jahre) als noch viele Zeitzeugen und Archivmaterial zur Verfügung standen.
Auch die Aussage von Seth Lover, Gibson habe in erster Linie AlNiCo V Magnete verwendet, aber auch andere Legierungen, wenn AlNiCo V nicht zur Verfügung stand, lässt sich vielleicht verstehen und besser einordnen, wenn man den historischen Kontext betrachtet. Seth Lover hat Gibson im Jahr 1967 verlassen und es wäre nahe liegend, wenn sich seine Aussage auf seine letzten Jahre als Gibson Mitarbeiter bezieht, denn für die Mitte der 60er Jahre sind die Legierungen AlNiCo II und V belegt – so würde die Aussage von Seth Lover Sinn ergeben.
Übrigens: Wir werden als nächstes den Zeitraum vor 1952 untersuchen, denn wir halten es für möglich, dass die P-90 Magnete der frühen Jahre (1946 – 1951) zunächst aus einer AlNiCo II Legierung bestanden, bevor auf AlNiCo IV gewechselt wurde.
Klangeigenschaften:
Ein mit AlNiCo IV bestückter Pickup klingt voll, hat einen leicht nasalen Charakter und besitzt kräftige Höhen, die nie hart oder aufdringlich sind. AlNiCo IV ist definierter als AlNiCo V und dynamischer als AlNiCo II.
Der AlNiCo II bestückte Pickup ist ausgeglichen, etwas nasal, mit klaren, aber nicht aggressiven Höhen, dynamisch etwas träger als AlNiCo IV oder AlNiCo V.
Wenn bei AlNiCo V das volle magnetische Potenzial ausgeschöpft wird, klingt ein Pickup mit dieser Bestückung laut, wenig nasal und hart in den Höhen. Vorteil: dynamisch im Overdrive Modus. Man kann den Charakter des AlNiCo V Magneten durch gezielte Manipulation so trimmen, dass der Klang des so bestückten Pickups „akustischer“ wird, seine Aggressivität verliert und in die Richtung der AlNiCo IV Klangeigenschaften geht.
Autor: Wolfgang Damm, 2018
There are many myths and stories about the use of AlNiCo magnets in historic P-90 and humbucker pickups, which have led to misinterpretations here and there. Therefore, I would like to share a few insights that have been developed and collected over the past few years that will hopefully help you to see and better understand the use of these magnets in the historic humbucker and P-90 pickups.
First a few technical data:
The magnets in question are so-called block magnets, as they have been used since 1946 for the Gibson P-90 model and later, since about 1956/1957, for their patent-applied-for humbucker. For both the P-90 and the humbucker Gibson used the same block magnets. This consisted of an aluminum-nickel-cobalt-iron alloy, the so-called AlNiCo, and had the dimensions 2 1/2 "x 1/2" x 1/8". The equivalent in millimeter is 63.5 x 12.7 x 3.175 mm. From mid 1961 onwards, magnets were used which, at 59 mm, were slightly shorter than the older magnets from the 1950s.
The physicist and guitarist Roland Kastl, who lives in Munich, had informed me several years ago that he had carried out extensive research on a large number of dated Gibson magnets from the 1950s and 1960s. The dates resulted from the construction years of the guitars, which were chosen at random. This means that not only the magnets of one type of instrument were examined, but magnets of different guitar models.
The longer block magnets, which Roland Kastl examined, were from P-90 pickups and PAFs and covered the years 1956 to 1960.
I was able to extend this time window by my own measurements, so that the examined magnets cover the period between 1952 and 1960. Magnetic properties as well as measurable effects on the electrical pickup parameters were examined in comparison with reference samples of today's AlNiCo types of the alloys AlNiCo II, III, IV and V.
With the older, long magnets, the result was astonishing in two respects: On the one hand, all original magnets behaved in the same way, on the other hand, there was no correspondence with AlNiCo II, III or V, but a clear similarity to today's AlNiCo IV samples.
The extensive sound tests I carried out with my pickup test guitar also pointed in the same direction as Roland Kastl’s measurements: In the A:B comparisons the old magnets could not be assigned to either an AlNiCo II or an AlNiCo V comparison group. Although it is of course clear to me that sound tests - actually the most important criterion - are always very subjective and momentary and cannot pass as an objective criterion.
All the results of the investigation did not quite fit with the popular belief that Gibson usually used AlNiCo V magnets during the period under investigation, but also other AlNiCo alloys, such as AlNiCo II and III, when AlNiCo V was not available. This statement carries weight, because none other than Seth Lover, who worked as an engineer for Gibson in the 1950s and developed the humbucker, reported in an interview about this alleged purchasing policy of Gibson. (Source: "The Gibson", International Music Publications, Oct. 1996, p. 50)
It was obvious to formulate a thesis, supported by measurements and sound tests but deviating from the common opinion, that Gibson used at least predominantly, if not exclusively an AlNiCo IV alloy for their P-90 and humbucker magnets in the years between 1952 and 1960 and to have this thesis verified by further investigations.
This was followed by various material analysis laboratory tests (permagraph, spark erosion spectroscopy, mass spectroscopy, X-ray fluorescence analysis), which confirmed Roland Kastl's assessment and allowed the exact chemical composition of the magnets to be determined. And indeed, all long magnets from the period under investigation were without exception a variant of AlNiCo IV that is no longer produced today.
This special AlNiCo IV alloy was also initially found in the shorter magnets from the early 1960s. However, AlNiCo II is now also appearing. In the following years (1960s), AlNiCo V was increasingly detected in addition to AlNiCo II.
AlNiCo III, which has come into fashion in recent years for seemingly historical reasons, could not be detected in the older magnets of the 1950s or in the shorter magnets of the 1960s. By the way: AlNiCo III is not a real AlNiCo but an AlNi alloy, because it does not contain any cobalt at all and is not only weaker than the AlNiCo alloys IV and V but also weaker than AlNiCo II.
In cooperation with the development department of a well-known magnet manufacturer the results of the laboratory analyses and the measurements of Roland Kastl resulted - after some optimisation cycles and special heat treatment during magnet production - in the "old" original AlNiCo IV alloy, exactly as it was used by Gibson for their P-90 and humbucker models in the 50s and early 60s.
Today these special AlNiCo IV magnets are exclusively used in selected Amber humbuckers and P-90 pickups.
Postscript:
In addition to the extensive analyses, there are other indications that Gibson used AlNiCo IV magnets predominantly, if not exclusively, in the period from the mid to late 1950s and also in the early 1960s. Tom Holmes tells in an interview with the magazine ToneQuest Report that he was able to look at old Gibson order lists from the 1950s at magnet manufacturer Thomas & Skinner, which prove that Gibson ordered AlNiCo IV block magnets at that time.
Also A. R. Duchossoir writes already in 1981 in his book “Gibson Electrics" about the introduction of the P-90 pickup in 1946:
“This new pick-up had two flat rectangular Alnico (II or IV) type magnets. . . “ This information is particularly interesting because Duchossoir had access to lists of material and was able to conduct many interviews with Gibson employees - and this at a time (late 1970s) when there were still many contemporary witnesses and archive material available.
Seth Lover's statement that Gibson primarily used AlNiCo V magnets, but also other alloys when AlNiCo V was not available, can perhaps be understood and better categorised by looking at the historical context. Seth Lover left Gibson in 1967 and it would be obvious if his statement refers to his last years as a Gibson employee, because the alloys AlNiCo II and V are documented for the mid 1960s - so Seth Lover's statement would make sense.
By the way: We will next investigate the period before 1952, because we think it is possible that the P-90 magnets of the early years (1946 - 1951) first consisted of an AlNiCo II alloy before switching to AlNiCo IV.
Sound characteristics:
A pickup equipped with AlNiCo IV sounds full, has a slightly nasal character and has powerful trebles that are never hard or obtrusive. AlNiCo IV is more defined than AlNiCo V and more dynamic than AlNiCo II.
The AlNiCo II equipped pickup is balanced, somewhat nasal, with clear but not aggressive highs, dynamically somewhat slower than AlNiCo IV or AlNiCo V.
When the full magnetic potential of AlNiCo V is used, a pickup with this configuration sounds loud, not very nasal and hard in the treble range. Advantage: dynamic in overdrive mode. You can trim the character of the AlNiCo V magnet by specific manipulation in such a way that the sound of the pickup becomes more "acoustic", loses its aggressiveness and goes in the direction of the AlNiCo IV sound characteristics.
Author: Wolfgang Damm, 2018